Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen für rentenberechtigte Arbeitnehmer Sozialplanleistungen reduzieren oder ganz ausschließen. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt.

§ 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verstößt nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die Regelung ist iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/789/EG durch ein vom nationalen Gesetzgeber verfolgtes legitimes Ziel gerechtfertigt. Es entspricht einem all-gemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren.
BAG, Urteil vom 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08 –

Problematik:

Der im August 1946 geborene A erhielt mit Schreiben vom 29.Juni 2006 von B eine betriebsbedingte Kündigung zum 30. November 2006. Im Oktober 2006 einigte B sich mit seinem Betriebsrat auf einen Sozialplan. Der Sozialplan teilte die Belegschaft in Altersgruppen ein. Stichtag für die Berechnung des Alters und der Beschäftigungsdauer ist der 30. Juni 2006. Für eine Gruppe der „bis zu 59-jährigen“ war eine von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit abhängige Abfindung festgelegt. Für eine weitere Gruppe der über 59 Jahre alten Arbeitnehmer sah eine andere Berechnungsformel nur einen Anspruch auf eine geringere Abfindung vor. A erhielt eine Abfindung berechnet nach der Formel für „Arbeitnehmer, die älter als 59 Jahre“ sind. A begehrte jedoch eine von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängige Abfindung. Er machte geltend, dass die Differenzierung zwischen den bis zu 59-jährigen und den älteren Arbeitnehmern gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße.
Das ArbG hat die Klage des A abgewiesen. Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen.

Entscheidung:

Die Revision ist begründet. A steht die weitere Abfindung zu, da er am maßgeblichen Stichtag zu den im Sinne dieser Regelung „bis zu 59-jährigen Mitarbeitern“ gehörte. Die Regelung im Sozialplan ist dahin zu verstehen, dass unter sie alle Arbeitnehmer fallen, die am Stichtag, dem 30.Juni 2006, das 60.Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.
Das Verbot der Altersdiskriminierung steht der Regelung des Sozialplans, nach der die Abfindungshöhe mit zunehmender Betriebszugehörigkeit ansteigt, gleichfalls nicht entgegen. Die Regelung kann zwar zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer führen. Das ist jedoch durch § 10 Satz 3 Nr.6 AGG gedeckt. Diese Bestimmung ist gemeinschaftsrechtskonform. Der deutsche Gesetzgeber verfolgt mit ihr in zulässiger Weise rechtmäßige Ziele.

Beratungskonsequenzen:

Mit dieser Entscheidung hat das BAG hat eine mit Spannung erwartete Entscheidung zur Zulässigkeit nach dem Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit abgestufter Abfindungsregelungen in Sozialplänen gefällt. Im Hinblick auf das im AGG und in der Richtlinie 2000/78/EG verankerte Verbot der Altersdiskriminierung war die Rechtmäßigkeit der bisherigen Praxis nicht unumstritten. Jetzt sorgte das BAG für klare Verhältnisse. Die Betriebsparteien müssen sich innerhalb eines Sozialplans nicht auf eine einheitliche Berechnungsformel beschränken. Der Sachgrund dafür, für Abfindungen älterer Arbeitnehmer ab einem bestimmten Stichtag eine andere Berechnungsformel zugrunde zu legen, kann darin liegen, dass sich bei rentennahen Jahrgängen die zu besorgenden wirtschaftlichen Nachteile typischerweise konkreter einschätzen lassen als bei rentenfernen.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hat das BAG offenbar allerdings nicht in Erwägung gezogen. So bleibt eine gewisse Restunsicherheit, ob auch der EuGH solche Sozialplangestaltungen auf der Basis des europäischen Antidiskriminierungsrechts für rechtmäßig halten wird, wenn er Gelegenheit zur Stellungnahme erhält.

Arbeitsrecht
14.08.2009
Marion Leising, RAuFAArbR Ludwigsburg
 
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