Ist im Arbeitsvertrag geregelt, dass der Arbeitnehmer neben dem festen Jahresbruttogehalt ein variables Bruttogehalt erhält, wenn er die von den Parteien gemeinsam für jeweils ein Jahr vereinbarten Ziele erreicht, schuldet der Arbeitgeber Schadensersatz, wenn aus seinem Verschulden Zielvereinbarungen nicht zustande kommen.

Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch.

BAG, Urteil vom 10.Dezember 2008 - 10 AZR 889/07 -

Problematik: A war bei B als Gruppenleiterin im Vertrieb angestellt. Vereinbart wurde im Anstellungsvertrag eine jährliche Grundvergütung in Höhe von DM 72.000 brutto sowie ein variables Jahresbruttogehalt in Höhe von DM 50.400. Das variable Gehalt sollte in Anhängigkeit von der Zielerreichung abgerechnet werden. In den ersten drei Jahren wurden Umsatzziele vereinbart und die variable Vergütung danach ausgezahlt. Ab dem Jahr 2004 bis zum Ausscheiden der A im Jahr 2006 kam es nicht mehr zum Abschluss von Zielvereinbarungen.

A klagte daraufhin auf Zahlung eines variablen Gehalts in Höhe von 70.305,37 EURO. B sei verpflichtet ihr wegen der nicht abgeschlossenen Zielvereinbarungen Schadensersatz zu leisten. B hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf ein variables Gehalt bestehe schon deshalb nicht, weil A den Abschluss von Zielvereinbarungen damals hätte durchsetzen können und müssen. Im übrigen habe sie mit A mehrere Gespräche geführt. Dabei habe sie ihr einerseits die Fortführung der für das Jahr 2003 getroffenen Zielvereinbarung im Jahr 2004 angeboten und alternativ das Angebot unterbreitet, das Fixgehalt sowie den Sockelbetrag für das variable Gehalt abzusenken. Beide Angebote habe A abgelehnt.

Die erstinstanzlichen Gerichte wiesen die Klage ab. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidung:

Der Arbeitgeber kann bei einer nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Absatz 1 und Absatz 3 BGB i.V.m. §§ 283 Satz 1, 252 BGB  verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten. Die Festlegung von Zielen wird jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode unmöglich i.S.v. § 275 Absatz 1 BGB. Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, wenn er das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat.

Ein vom Arbeitnehmer nicht angenommenes Angebot des Arbeitgebers zur Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung kann geeignet sein, ein Verschulden des Arbeitgebers am Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auszuschließen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die für den Abschluss der abgelaufenen Zielvereinbarung maßgebenden Umstände nicht wesentlich geändert haben und dem Arbeitnehmer das Erreichen der für den abgelaufenen Zeitraum gemeinsam festgelegten Ziel nach wie vor möglich ist.

Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag eine der Höhe nach bestimmte zusätzliche Vergütung für den Fall versprochen, dass der Arbeitnehmer die für jede Zielperiode gemeinsam neu aufzustellenden Ziele erreicht, darf der Arbeitgeber sein Angebot zum Abschluss einer Zielvereinbarung nicht daran knüpfen, dass der Arbeitnehmer einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmt.

Das LAG hat aufgrund seiner unzutreffenden Annahme, die A hätte vortragen müssen, welchen Inhalt die nicht zustande gekommene Zielvereinbarungen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 gehabt hätten, nicht abschließend geprüft, ob B es zu vertreten hat, dass für diese Jahre Zielvereinbarungen nicht zustande gekommen sind. Wenn B das Zustandekommen von Zielvereinbarungen treuwidrig vereitelt hat wird das LAG von einer schuldhaften Verletzung der Verhandlungspflicht durch B auszugehen haben. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wird das LAG festzustellen haben, ob A ein Angebot, die Zielverhandlungen für das Jahr 2004 fortzuführen, abgelehnt hat. Zudem wäre dann  zu prüfen, ob B bei der Abgabe ihres Angebots davon ausgehen konnte, dass sich die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung nicht so zum Nachteil der Klägerin verändert haben, dass dieser das Erreichen der bisherigen Ziele nicht mehr möglich war. Nur dann hätte B ihre Verhandlungspflicht bezüglich des Abschlusses der Zielvereinbarung für das Jahr 2004 nicht verletzt, so dass insoweit A ein Schadensersatz nicht zusteht.

Beratungskonsequenzen:

Der Arbeitgeber schuldet Schadensersatz, wenn aufgrund seines Verschuldens Zielvereinbarungen nicht zustande kommen. Es kann an einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers fehlen, wenn er nachweist, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen und dem Arbeitnehmer realistische Ziele vorgeschlagen hat.

Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz, richtet sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens nach den §§ 249 ff. BGB, wobei die für den Fall der Zielerreichung zugesagte variable Vergütung Grundlage für die abstrakte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB ist. Der Arbeitnehmer hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Bei der Ermittlung des Schadens ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen.

Arbeitsrecht
01.07.2009
Marion Leising, RA/FAArbR Ludwigsburg
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