Am 18.08.2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten. Die als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnete Neuregelung geht zurück auf die EU- Richtlinien zur Gleichbehandlung und zum Schutz vor Diskriminierungen. Nachfolgend sollen die wesentlichen arbeitsrechtlichen Auswirkungen des AGG auf die betriebliche Praxis aufgezeigt werden.

Umsetzungsverpflichtung der EU-Richtlinien

Aufgrund der Verpflichtung zur Umsetzung von vier EU-Richtlinien, die den Schutz vor Diskriminierung in unterschiedlichen Rechtsbereichen regeln, wurde das AGG geschaffen. Es setzt die Richtlinien in den Rechtsbereichen Zivil-, Beamten-, Sozial- und Arbeitsrecht um. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf, vor allem beim Schutz vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz.

Benachteiligungsverbot im Arbeitsrecht

Das AGG enthält ein umfassendes Diskriminierungsver bot im Arbeitsrecht. Dieses ist in § 7 Abs. 1 AGG normiert. Nach dieser Vorschrift sind Be nachteiligungen aus den acht in § 1 AGG genannten Gründen verboten. So darf ein Arbeitnehmer nicht wegen des Geschlechts , der Rasse  oder ethnischen Herkunft , der Religion  oder Weltanschauung , des Alters , einer Behinderung  oder der sexuellen Identität  benachteiligt werden (§ 1 AGG).

Sachlicher Anwendungsbereich

Grundsatz

Grds. ist jegliche Benachteiligung aus einem in § 1  AGG genannten Grund in Bezug auf Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Entgelt- und Entlassungsbedingungen sowie die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstiegunzulässig (§ 2 Abs. 1 AGG ). Die Arbeitgeber trifft somit grds. die Pflicht, Benachteilungen in allen Phasen, die das Arbeitsverhältnis durchläuft, zu unterlassen, zu verhindern oder zu beseitigen. Bei Leiharbeitnehmern sind der Verleiher und der Entleiher gleichermaßen zu einer diskriminierun gsfreien Behandlung verpflichtet.

Ausnahmen

Ausgeklammert wurde gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG die betriebliche Altersversorgung . Für diese gilt das BetrAVG. Soweit bei betriebliche n Regelungen an die Vorgaben des BetrAVG angeknüpft wird, sollen deshalb auch die Sanktionsmechanismen des AGG nicht zur Anwendung kommen. Inwieweit diese nicht richtlinienkonforme Ausklammerung eines Teilbereichs einer gerichtlichen Überprüfung standhält bleibt abzuwarten. Zudem wurden Kündigungen  ausgeklammert. So sollen für diese ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten (§ 2 Abs. 4 AGG). Auch hier bleibt abzuwarten, ob diese Regelung Bestand haben wird, da die anderen EU-Staaten keine solche Bereichsausnahme bei Kündigungen gewähren und § 2 Abs. 4 AGG im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 AGG steht, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Anwendungsbereich des A GG fällt (vgl. hierzu auch Wisskirchen, DB 2006 S. 1495). Es empfiehlt sich je denfalls aus Gründen der Vorsicht davon auszugehen, das auch in den vorgenannten, der zeit noch vom Anwendungsbereich ausgenommen Fällen, das AGG zukünftig greifen wird.

Persönlicher Anwendungsbereich

Beschäftigte i.S.d. AGG sind nicht nur Arbeitnehmer innen und Arbeitnehmer, zur Berufsausbildung Beschäftigte, sondern auch arbeitn ehmerähnliche Personen (inkl. in Heimarbeit Beschäftigte und diesen Gleichgestellte) . Zu den Beschäftigten zählen auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsve rhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (§ 6 Abs. 1 AG G). Zu beachten ist, dass soweit Bedingungen für den Zugang der Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betroffen sind, die Vorschriften, die den Schutz vor Benachteiligung regeln, auch für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere für Geschäftsführ er oder Geschäftsführerinnen und Vorstände , entsprechend gelten (§ 6 Abs. 3 AGG).

Begriff der Benachteiligung

Im Hinblick auf den Begriff der Benachteiligung übe rnimmt das AGG zunächst einmal die Differenzierung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung. Eine unmittelbare Benachteiligung  liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat oder er fahren würde (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Eine mittelbare Benachteiligung  liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen  (§ 3 Abs. 2 AGG). Dabei reicht allein die abstrakte Gefährdungslage nicht aus. Vielmehr muss der Benachteiligte von der mittelbaren Benachteiligung konkret betroffen sein bzw. es muss eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass ihm im Vergleich zu Angehörig en anderer Personengruppen ein besonderer Nachteil droht. So liegt eine mittelbare  Benachteiligung wegen des Geschlechts z.B. darin, für eine Beförderung eine ununterbroche ne Beschäftigung zu verlangen. Auch Benachteiligungen aufgrund einer Teilzeittätigkeit fallen darunter. Eine mittelbare Benachteiligung liegt allerdings auch bei Schlechte rstellung einzelner Arbeitnehmer nicht vor, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind ( § 3 Abs. 2 AGG). Beispiel:  Aus Authentizitätsgründen darf z.B. unterschieden werden: So kann eine Sopranrolle authentisch nur mit einer Frau besetzt werden.Entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie wird neben der unmittelbaren und mitt elbaren Benachteiligung auch die Belästigung  - insbesondere in Form der sexuellen Belästigung ( § 3 Abs. 4 AGG) - als eine weitere Benachteiligungsform einbezogen. Eine genaue Definition der Belästigung findet sich in § 3 Abs. 3 AGG.

Beweislast

§ 22 AGG normiert eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers. Gem. dieser Vorschrift muss eine Partei die Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, die andere Partei trägt dann die Beweislast  dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz der Benachteiligung vorgelegen hat.

Gesetzlich zulässige Differenzierung

Grds. dürfen Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG ge nannten Grundes nicht benachteiligt werden. Es gibt hierzu jedoch eine Reihe von Ausnah men. Unternehmen sollten deshalb zunächst die gesetzlich zulässigen Differenzierungs möglichkeiten prüfen. In den §§ 8-10 AGG werden als Ausnahme zu dem Benachteiligungsgrun dsatz Differenzierungsmöglichkeiten in Bezug auf einzelne  Kriterien bestimmt.

Zulässige Differenzierung wegen beruflicher Anforderungen

Eine unterschiedliche Behandlung ist zulässig, wenn  die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung fordert, der Zweck rechtmäßig und die A nforderung angemessen ist (§ 8 Abs. 1 AGG). Dies bedeutet aber nicht, dass z.B. ein Arbeitgeber, der Mitarbeiter für schwere körperliche Arbeiten sucht, Frauen generell ausschließen darf. Hier ist die Eignung jeweils individuell festzustellen. Eine zulässige Differenz ierung kann sich ausnahmsweise aus biologischer Notwendigkeit ergeben, so z.B. beim Einsatz einer Amme.

Zulässige Differenzierung wegen Religion oder Weltanschauung

Erlaubt ist eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemein schaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt (§ 9 Abs. 1 AGG). Damit soll in erster Linie den kirchlichen Einrichtungen weiterhin die Möglichkeit offengehalten werden, Mitarbeiter mit der gewünschten Religionszugehörigkeit einstellen zu können; allerdings mit der oben genannten Einschränkung. Bislang konnten Tendenzunternehmen  (z.B. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Presseunternehmen) von Tendenzträgern, die die arbeitsvertragliche Aufgabe hatten, die Politik des Tendenzunternehmens intern mit zu entwickeln und zu begründen sowie nach außen aufzutreten, verlangen, dass die Arbeitnehmer  ihre weltanschauliche, politische oder gewerkschaftliche Überzeugung teilen. Nach Inkraftt reten des AGG kann dies nicht mehr verlangt werden. Demzufolge sollten in Bewerbungsge sprächen Fragen nach der politischen Überzeugung oder Mitgliedschaft in politischen Part eien zukünftig nicht mehr ausdrücklich gestellt werden (Wisskirchen, DB 2006 S. 1492 (1493 )).

Zulässige Differenzierung wegen des Alters

Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist zulässig, wenn diese objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dabei müssen auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Nach den ausdrücklichen Feststellungen in § 10 Satz 2 AGG können derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere Folgendes einschließen:

die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen,

die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter,

die Berufserfahrung oder das Dienstalter,

die Festlegung des Höchstalters für die Einstellung ,

die Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen  Systemen der sozialen Sicherheit,

Altersgrenzenregelungen für die Arbeitsvertragsbeendigung,

Sozialauswahl,

Regelungen zur Unkündbarkeit,

Sozialplanregelungen. Die Grenzen möglicher Regelungen sind gesetzlich nicht definiert. Nur teilweise enthält das Gesetz selbst Einschränkungen. So darf z.B. das Alt er bei der Sozialauswahl anlässlich einer betriebsbedingten Kündigung i.S.d. § 1 KSchG nur in soweit Berücksichtigung finden, wie dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen  Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere hinsichtlich der Chancen am Arbeitsmarkt, entscheidend sind (§ 10 Nr. 6 AGG).

Organisationspflichten des Arbeitgebers

Das AGG begründet eine Reihe von Organisationspflichten für den Arbeitgeber.

Neutrale Stellenausschreibung und Absage

Da sich der Anwendungsbereich des AGG auch auf das Vertragsanbahnungsverhältnis bezieht, darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden (§ 11 AGG). Wird dies nicht beachtet, wird man darin bereits ein Indiz für eine Benachteiligung sehen müssen. Unabhä ngig davon muss darauf geachtet werden, dass abgelehnten Bewerbern die Unterlagen mit einer diskriminierungsfreien Begründung zurückgeschickt werden. So sollten die Ablehnungsschreiben möglichst neutral und "inhaltsleer" gestaltet werden. Dies gilt auch für telefonische Rückfragen. Mündliche Auskünfte sollten daher soweit wie möglich unterbleiben.

Überprüfung der Fragerechte bei Einstellung

Der Arbeitgeber darf vor der Einstellung des Bewerbers alle Fragen stellen, mit denen er dessen Eignung für die ausgeschriebene Position feststellen will. Die Grenzen ergeben sich aus der bisherigen Rspr. zum Fragerecht. Durch das AGG ist das Fragerecht zwar nicht unmittelbar verändert worden, es ist aber Vorsicht geboten, weil die Fragerechte durch das AGG verstärkt auf dem Prüfstand stehen. Wie sich di e Rspr. hierzu entwickeln wird, lässt sich nicht absehen. Es empfiehlt sich aber in Erweiterung der bisherigen Grenzen, nicht mehr nach dem Lebensalter des Bewerbers zu fragen ( vgl. hierzu ausführlich Wisskirchen, a.a.O., S. 1494).

Überprüfung der Vergütungsvereinbarungen

Das Prinzip der Vertragsfreiheit wurde bereits in d er Vergangenheit durch tarifliche Mindestentgelte eingeschränkt. Durch das AGG wird d ie Vertragsfreiheit in Bezug auf Vergütungsvereinbarungen weiter eingeschränkt. Grun dvergütung und Sonderzahlungen sollten daraufhin überprüft werden, ob bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern unzulässig benachteiligt werden. So dürften zusätzliche Vergütungen für Verheiratete regelmäßig unzulässig sein.

Überprüfung sonstiger individual- und kollektivrechtlicher Vereinbarungen

Individual- als auch kollektivrechtliche Regelungen  sollten auf Benachteiligungen überprüft werden. Verstößt eine Regelung gegen das Benachteil igungsverbot des AGG, ist diese unwirksam (dazu vgl. Wisskirchen, a.a.O., S. 1497).  In die Betriebsordnungen sollten Verhaltensregelungen in Bezug auf Diskriminierungsf ragen aufgenommen werden.

Schulungs-, Informations- und Sanktionspflichten gem. § 12 AGG

Darüber hinaus enthält § 12 AGG eine deutliche Erwe iterung bestehender Handlungspflichten. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG g enannten Grunds zu treffen. Hierzu gehören auch vorbeugende Maßnahmen (§ 12 Abs. 1 AGG ).

Schulungsverpflichtung

Der Arbeitgeber soll in geeigneter Weise, insbesond ere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit von Benacht eiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Bei kleineren B etrieben wird eine Information im Rahmen einer Betriebsversammlung anhand von Beispie len angeraten, bei größeren Unternehmen Computerschulung durch Selbsttest oder Einstellung der wesentlichen Verhaltensregeln im Intranet. Besonders Mitarbeiter  mit Weisungsbefugnissen sollten ausführlich geschult werden, da sich der Arbeitgebe r Diskriminierungen seiner weisungsbefugten Mitarbeiter zurechnen lassen muss.  Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise geschult, gilt di es als Pflichterfüllung i.S.d. § 12 Abs. 1 (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AGG).

Sanktionierung von Benachteiligungen

Bei Verstößen von Beschäftigten gegen das Benachtei ligungsverbot, hat der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteil igung zu treffen, wie z.B. Abmahnung, Versetzung, Umsetzung oder sogar Kündigu ng (§ 12 Abs. 3 AGG). Dem Arbeitgeber obliegt auch die Pflicht, den Arbeitneh mer vor Benachteiligungen Dritter, beispielsweise durch Kunden, zu schützen (§ 12 Abs.  4 AGG).

Informationspflichten

Das AGG und § 61b des ArbGG sowie Informationen übe r die für die Behandlung von Beschwerden zuständigen Stellen sind im Betrieb ode r in der Dienststelle bekanntzumachen. Insofern kann eine bereits bestehende betriebliche Stelle als Beschwerdestelle fungieren, wobei aus Arbeitgebersicht die Personalabteilung (u nd nicht der Betriebsrat) benannt werden sollte. Hier ist zu empfehlen, die Beschwerdestelle doppelt-geschlechtlich zu besetzen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- oder Kommunikationstechnik erfolgen (§ 12 Abs. 5 AGG).

Dokumentation

Obwohl keine gesetzliche Dokumentationspflicht best eht, sollte der Arbeitgeber aus Gründen der Beweiserleichterung nach § 22 AGG die E rwägungen, die er bei den Personalentscheidungen als auswahlerheblich zugrunde gelegt hat, dokumentieren. Ohne Dokumentationen wird es ihm kaum gelingen, erfolgreich Beweis zu führen. Eine Parteivernehmung des Arbeitgebers ist als Ausfluss der Waffengleichheit nur subsidiär möglich (BAG, Urteil v. 06.12.2001 - 2 AZR 396/00, sj 0401 3439).

Rechte der Beschäftigten

Anrufung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Wer der Ansicht ist, wegen eines in § 1 AGG genannt en Grunds benachteiligt worden zu sein, kann sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Diese informiert, vermittelt eine Beratung oder strebt eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten an (§ 27 AGG).

Beschwerderecht

Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zus tändigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von  Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten benachteiligt fühlen (§ 13 AGG).

Leistungsverweigerungsrecht

Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, steht dem betroffenen Arbeitnehmer gem. § 14 AGG ein Leistung sverweigerungsrecht bei Fortzahlung der Vergütung zu.

Schadensersatz und Entschädigung

Schadensersatz bei Vermögensschäden Der vertretbare Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet den Arbeitgeber zur Schadensersatzleistung (§ 15 Abs. 1 AGG). Somit wer den Vermögensschäden nach § 249 ff. BGB ersetzt. Z.B. kann ein Bewerber, der ohne Benachteiligung eingestellt worden wäre, nach h.M. einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt bis zum ersten hypothetischen Kündigungstermin geltend machen (so z.B. Thüsing, i n: Henssler/Willemsen/Kalb, 2004, § 611a BGB, Rdn. 34; Richardi/Annuß, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. 1995, § 611a BGB Rdn. 87; a.A. Treber, NZA 1998, S. 856 (858)). Dabei ist ein etwaiger anderweitiger oder böswillig unterlassener Verdienst ebenso schadensmindernd zu berücksichtigen wie etwaige mit der erstrebten Position verbundene besondere Aufwendungen. Bei Beförderung kann der "Bestqualifizierte" einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dieser besteht aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlichen Monat sverdienst des Bewerbers und dem mit dem beruflichen Aufstieg verbundenen Monatsverdienst. Dabei ist jedoch unklar, auf welchen Zeitraum die Gerichte einen solchen Schadensersatzanspruch anerkennen werden.

Entschädigung bei Nichtvermögensschäden

Wegen eines Nichtvermögensschadens  kann der Beschäftigte eine "angemessene" Entschädigung verlangen. Dabei darf diese bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigen auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 15 Abs. 2 AGG). Di ese Regelung macht deutlich, dass nicht nur der beste Bewerber, der die Stelle bei diskriminierungsfreier Auswahl erhalten hätte, benachteiligt werden kann. Für die anderen Fälle wurde aber keine Höchstgrenze festgelegt. Hier sollen nach dem Willen des Gesetzg ebers die Arbeitsgerichte unter Heranziehung der EuGH-Rspr. entscheiden. Nach der E uGH-Rspr. muss die Entschädigung geeignet sein, eine abschreckende Wirkung auf den Arbeitgeber zu haben und in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen (EuGH Urteil v. 22.04.1997 - C- 180/95, DB 1997 S. 983). Erfahrungsgemäß gehen deutsche Gerichte mit der Gewährung von Entschädigungszahlungen sehr zurückhaltend um. Nach Auffassung des BAG hat die Entschädigung grds. der Vergütung für einen Monat z u entsprechen (BAG, Urteil v. 14.03.1989 - 8 AZR 447/87, DB 1989 S. 2281). Teilwe ise wird diese Höhe von den Gerichten auch unterschritten (hierzu Wisskirchen, a.a.O., S. 1498 m.w.N.).

Ausschlussfristen

Arbeitnehmer müssen die vorgenannten Ansprüche innerhalb von zwei Monaten  schriftlich geltend machen, es sei denn, die Tarifvertragsparte ien haben etwas anderes vereinbart (§ 15 Abs. 4 Satz 1 AGG). Die Frist beginnt im Fall einer  Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den s onstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder d ie Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Absagen sollten vorsorglich per Einschreiben mit Rückschein erfolgen. So kann später ein evtl. Fristablauf wenigstens durch den Arbeitgeber nachgewiesen werden.

Kein Kontrahierungszwang

Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg (§ 15 Abs. 6 AGG). Der Abschluss eines Arbeitsvertrags ist nicht erzwingbar, d.h. es besteht kein Kontrahierungszwang für den Arbeitg eber. Das Prinzip der Abschlussfreiheit bleibt erhalten.

Zusammenfassung

Die Arbeitgeber trifft nach dem neuen AGG grds. die  Pflicht, Benachteilungen in allen Phasen, die das Arbeitsverhältnis durchläuft, zu unterlassen, zu verhindern oder zu beseitigen. Zulässige Differenzierungsmöglichkeiten  enthält das AGG in § 8 - § 10. Arbeitgebern ist deshalb zu raten, zunächst die gesetzlich zulässigen Differenzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Greift kein Ausnahmetatbestand, so ist eine Differenzierung zu unterlassen bzw. der Diskriminie rung mit geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Angesichts der dem Arbeitgeber au ferlegten Organisationspflichten und der damit einhergehenden Haftungsrisiken sollte jeder Arbeitgeber die innerbetriebliche Einstellungs-, Ausbildungs-, Arbeits- und Aufstiegs struktur auch unter präventiven Gesichtspunkten diskriminierungsfrei ausgestalten. Wichtig ist insbesondere, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer rechtzeitig und in geeigneter Form über den Inhalt des Gesetzes informiert und eine Beschwerdestelle einrichtet. Zudem ist dem Arbeitgeber zu raten, eine lückenlose Dokumentation aller Personal maßnahmen vorzunehmen, da ihn im Fall eines Rechtsstreits erhebliche Darlegungs- und  Beweislasten treffen. Jedenfalls sollten die Gründe, die einer Einstellung, einer sonstigen Begünstigung von Arbeitnehmern bei der Gewährung von Leistungen oder einer Kündigung zugrunde liegen, genau dokumentiert werden.

Mehr zum Thema:
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG (BGBl. I 2006 S. 1897) BAG, Urteil v. 06.12.2001 - 2 AZR 396/00

Handelsvertreterrecht
27.07.2018
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