Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen, gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen sind grundsätzlich weit auszulegen, weil die Parteien in der Regel klare Verhältnisse schaffen und möglichen Streit in der Zukunft vermeiden wollen.
Solche Klauseln, mit denen „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten„ sein sollen, können auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und eine Karenzentschädigung umfassen, auch wenn der Zusatz „ und seiner Beendigung, bekannt oder unbekannt“ fehlt.

BAG, Urteil vom 22.Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 -

Problematik:

K der bei B angestellt war, erhielt im November 2005 eine außerordentliche Kündigung. Im Arbeitsvertrag war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigung für den Fall der Kündigung vereinbart. Der arbeitsrechtliche Streit über die Kündigung wurde durch gerichtlichen Vergleich im Januar 2006 beendet. Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich zum 31.Dezember 2005 aufgehoben. In Punkt 8 des Vergleichs wurde folgendes vereinbart:“ Die vertragschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass mit Erfüllung dieses Vergleiches alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind.“
Im Mai 2006 begehrte K von B Zahlung einer Karenzentschädigung. B verweigerte dies unter Hinweis auf Ziffer 8 des gerichtlichen Vergleichs.
Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat sie abgewiesen. Die Revision ist unbegründet.

Entscheidung:

Der Wortlaut der Ausgleichsklausel, wonach „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten“ seien, kann grundsätzlich auch das Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfassen. Es handelt sich dabei um gegenseitige Ansprüche, die ihre Grundlage im Arbeitsverhältnis haben und daher „aus dem Arbeitsverhältnis“ stammen. Das Fehlen des in Abgeltungsklauseln häufig verwendeten Zusatzes „alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, seien sie bekannt oder unbekannt“ lässt nicht darauf schließen, dass damit ein Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung ausgeschlossen werden sollten. Auch wenn das Wettbewerbsverbot erst einzuhalten ist, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und damit auch die Karenzentschädigung fällig wird, beruhen diese gegenseitigen Ansprüche nicht „auf“ der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf der vertraglichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zuvor. Sie folgen dem aktiven Arbeitsverhältnis lediglich zeitlich nach.
Dem vorgerichtlichen Verhalten der Parteien, insbesondere ihrer Korrespondenz, lässt sich ein übereinstimmender Wille, das Wettbewerbsverbot fortbestehen zu lassen, nicht entnehmen.

Beratungskonsequenzen:

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist jederzeit aufhebbar. Dies kann auch in einer Ausgleichsklausel, in einem Aufhebungsvertrag oder in einem gerichtlichen Vergleich geschehen, ohne dass die Begriffe des Wettbewerbsverbots oder der Karenzentschädigung ausdrücklich erwähnt sein müssen. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive oder das deklaratorische positive oder negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllend betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder bestimmte Gruppen von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen. Ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis ist dann gegeben, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen. Im vorliegenden Fall hat das LAG und das BAG den Vergleich mit dem Ergebnis ausgelegt, das sowohl das Wettbewerbsverbot als auch die Karenzentschädigung in die Erledigungsklausel einzubeziehen ist.

Bei der Vereinbarung von Ausgleichsklauseln ist immer größte Vorsicht geboten. Zwar ziehen die Gerichte in Einzelfällen bei existenzieller wirtschaftlicher Bedeutung eine Grenze. So erfasst eine allgemeine Ausgleichsklausel im Zweifel nicht die Ansprüche aus betrieblicher Altersvorsorge. In allen übrigen Fällen muss aber von einem umfassenden endgültigen Verzicht ausgegangen werden.

Handelsvertreterrecht
30.01.2009
Marion Leising, Ludwigsburg
Quelle: BAG, Urteil vom 22.Oktober 2008 - 10 AZR 617/07
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