Es ist grundsätzlich zulässig, in vom Arbeitgeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rückzahlung von Fortbildungskosten zu vereinbaren und die Höhe des Rückzahlungsbetrages davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Bindungsdauer beendet.

Die Bindungsdauer darf den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligen. Ob dies der Fall ist bestimmt sich nach Regelwerten, die jedoch einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind. Gibt der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vor, ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam. Ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht. Jedoch kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die unzulässige Bindungsdauer auf eine zulässige zurückgeführt werden, wenn es wegen der einzelfallbezogenen Betrachtung für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer im Einzelfall zu bestimmen.

BAG, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 –

Problematik:

B hat sich in einem von ihm einseitig vorformulierten Fortbildungsvertrag verpflichtet für seine Arbeitnehmerin A die Lehrgangskosten für eine Fortbildung mit einer Gesamtausbildungsdauer von 500 Stunden zu übernehmen und die A unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. A hat sich demgegenüber zur Rückzahlung der Bezüge und Lehrgangskosten verpflichtet, wenn sie das Arbeitsverhältnis kündigt oder wenn ihr von B aus einem von ihr zu vertretenden Grund gekündigt wird. Für je einen Monat der Beschäftigung nach Ende des Lehrgangs soll 1/60 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen werden.
Einige Monate nach erfolgreicher Ablegung der Fortbildungsprüfung kündigte A das Arbeitsverhältnis. B begehrt widerklagend die Rückzahlung anteiliger Fortbildungskosten. Das ArbG und das LAG haben die Vereinbarung der fünfjährigen Bindungsdauer als unzulässig betrachtet und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die B zwar nicht mehr die fünfjährige Bindungsdauer, vertritt aber die Ansicht, der Vertrag sei mit einer Bindungsdauer von 24 Monaten weiter anzuwenden.

Entscheidung:

Die Rückzahlungsklausel benachteiligt die A als Vertragspartnerin der Verwenderin von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Zwar sind einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzieren Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Jedoch können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies ist anhand einer Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Grundsätzlich gilt Folgendes: Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindungsdauer, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Abweichungen davon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Es geht nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.
Die von A durchlaufene Ausbildung umfasste 500 Stunden, also ungefähr die Arbeitszeit von drei Monaten. Mithin käme allenfalls eine zulässige Bindung von zwei, nicht jedoch von fünf Jahren in Betracht.

Die verwendete Klausel ist auch nicht mit der – möglicherweise – zulässigen Bindungsdauer von zwei Jahren aufrechtzuerhalten. Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksame Klauseln grundsätzlich nicht auf einen damit zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. Ebenso scheidet eine an die Unwirksamkeit anknüpfende ergänzende Vertragsauslegung aus. Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung liegen hier nicht vor. Nicht das Prognoseprinzip des Arbeitgebers im Hinblick auf Schwierigkeiten, einzelne Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu bewerten hat sich verwirklicht, sondern die Beklagte hat eine extrem lange Bindungsdauer vereinbart, hinsichtlich derer eine Wirksamkeit ersichtlich nicht in Betracht kam.

Beratungskonsequenzen:

Nach § 310 Absatz 3 Nr, 2 BGB unterliegen Verbraucherverträge auch dann der AGB-Kontrolle, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Arbeitnehmer sind Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksame Klauseln grundsätzlich nicht auf einen damit zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. § 306 BGB gibt eine solche Rechtsfolge nicht vor.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt allerdings unter Umständen in Betracht, wenn ein Festhalten am Vertrag für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Entscheidend ist, ob die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel eine angemessene den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind dabei angemessen zu berücksichtigen.

Zwar sind die Kriterien nach denen die Zulässigkeit von Bindungsklauseln beurteilt wird, in ihren Grundstrukturen festgelegt. In Einzelfällen sind jedoch Abweichungen möglich, etwa wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer ungewöhnlich große Vorteile bringt oder der Arbeitgeber gar erhebliche Mittel aufwendet. Es ist also für den Arbeitgeber nicht immer voraussehbar, welche Bindungsdauer angemessen ist. Er trägt damit das Prognoserisiko. Wenn und soweit sich dieses Prognoserisiko verwirklicht, ist es für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte, an seiner Verpflichtung zur Tragung der Ausbildungskosten festgehalten zu werden, ohne den Arbeitnehmer angemessen binden zu können. Deshalb ist in diesem Fall durch ergänzende Vertragsauslegung festzustellen, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die sich aus § 306 Absatz 1 BGB ergebende Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung werden in den seltensten Fällen – so wie auch in diesem Fall nicht - vorliegen. Arbeitgeber sollten bei Vereinbarungen von Rückzahlungsklauseln mit Arbeitnehmern die Bindungsdauer nicht zu lang bemessen, sondern an der oben dargelegten Rechtsprechung orientieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen die Gesamtkosten allein tragen zu müssen.

Urteile
08.05.2009
Marion Leising, RAuFAArbR Ludwigsburg
Quelle: BAG, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07
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